Ende September, kurz vor dem Schließen der meisten Hütten in den Alpen, sind wir zu einer Tour ins Karwendel aufgebrochen. Eigentlich hatten wir eine ganz andere Tour vor, aber da ich dummerweise den Alpenvereinsschlüssel zu Hause vergessen hatte, mussten wir kurzfristig umdisponieren, denn wir hätten die ursprünglich anvisierte Selbstversorgerhütte nicht aufschließen können. Unser Ziel war der westliche Teil der Nordkette, mit den Gipfeln von Seefelder Spitze, Reither Spitze, der Nördlinger Hütte und dem Freiungen Höhenweg (oft auch Freiunger Höhenweg oder Freyungen Höhenweg geschrieben). Im Jahr zuvor war ich bereits für mehrere Tage im Karwendel gewesen (siehe hier) und hatte dabei viele Gipfel zwischen Solsteinhaus und Pfeishütte bestiegen, doch den Freiungen Höhenweg und den westlichen Teil der Nordkette hatte ich dabei vernachlässigt.
Unser Auto parkten wir kostenlos in Seefeld im Parkhaus der Talstation Rosshütte und von dort aus starten wir in Richtung Seefelder Joch. Dabei war ich zunächst irritiert, denn ich hatte zwar die Karte gesehen, mir aber im Vorfeld überhaupt nicht vergegenwärtigt, dass wir über ein Skigebiet zum Seefelder Joch aufsteigen würden. Entsprechend gab es einige Lifte und damit verbunden zahlreiche „Wanderer“ in Flipflops. Zumindest einen Teil des Trubels konnten wir allerdings umgehen, in dem wir entlang des Hagelbachs aufstiegen, bevor wir über den Krummen Steig zur Rosshütte gelangen mussten.

Das Seefelder Joch war Ausgangsstation derer, die mit der Bahn einen Gipfel machen wollten und so waren wir auf dem Weg zur Seefelder Spitze und natürlich auch auf der Seefelder Spitze nicht allein. Der Weg dorthin ist gut ausgebaut und kann bequem in Turnschuhen absolviert werden – alpine Erfahrung wird nicht benötigt und der Ausblick ist wirklich lohnend.


Wir machten uns schnell auf um den Weg weiter zur Reither Spitze zu nehmen. Dieser ist bis zum Reither Joch ebenfalls sehr gut ausgebaut und immer noch gut frequentiert, aber im Vergleich zum Abschnitt Seefelder Joch – Seefelder Spitze dennoch fast schon einsam. Erst am Reither Joch ändert sich der Charakter des Weges und aus ihm wird ein kleiner und zahmer Steig, welcher zum Gipfel führt.



Die Reither Spitze erreichten wir schnell. Da wir recht später unterwegs waren, waren die meisten Wanderer schon auf dem Rückweg vom Gipfel und das große Gedränge blieb aus. Der Gipfel kann immerhin bei kurzer Anfahrt auch ganz bequem als Tagestour gemacht werden.




Ein kurzer Steig führte uns von der Reither Spitze zur Nördlinger Hütte, wo wir beinahe die einzigen Gäste waren. Alle Tagesgäste waren schon auf dem Weg zurück ins Tal und nur zwei weitere Wanderer verbrachten die Nacht ebenso auf der Hütte. Rund um die Hütte war es angenehm still geworden.



Am nächsten morgen standen wir früh auf und brachen mit Stirnlampe bei kühlen Temperaturen erneut zur Reither Spitze auf. Dort wollten wir den Sonnenaufgang sehen und dies lässt sich von der Nördlinger Hütte aus natürlich leicht realisieren, denn es sind keine zwanzig Minuten bis zum Gipfel. Der Steig ist leicht und rasch waren wir alleine vor Ort, wo sich laut Hüttenpersonal oft die Schafe zum Schlafen sammeln. Das frühe Aufstehen hatte sich gelohnt.


Zurück auf der Hütte frühstückten wir und brachen danach zum Freiungen Höhenweg auf. Auf diesem hatte es infolge starker Niederschläge mehrere Abrutsche gegeben, so dass der Weg zeitweise im Sommer 2016 als nicht oder zumindest stellenweise sehr schlecht begehbar galt. Aber laut Hüttenpersonal sollte alles wieder in bester Ordnung sein und wir stiegen unmittelbar hinter der Nördlinger Hütte in den Weg zum Urkundsattel ein.




Wir hatten tolles Wetter und vom Freiungen Höhenweg aus bekommt man immer wieder tolle Einblicke in das Inn- und Sellraintal, weit hinüber auch zu den Ötztaler und Pitztaler Alpen. Dennoch muss man sich stets konzentrieren und sicher steigen, denn an zahlreichen Stellen wäre ein Ausrutscher fatal.



Zum Ende hin zeigte sich der Freiungen Höhenweg allerdings noch von seiner hässlichen Seite, denn bei finalen Abstieg zum Solsteinhaus hin mussten wir durch den typischen Karwendelschotter – der Weg war wider Erwarten doch teilweise abgerutscht und wir mussten vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzten.

Am Solsteinhaus angekommen hatten wir Glück, denn am Tag unserer Ankunft begannen die Bauarbeiten an der neuen Küche. Die Hütte hatte sich in eine Großbaustelle verwandelt und war eigentlich geschlossen. Doch weil wir zur Mittagszeit ankamen gab es nicht nur für die zahlreichen Bauarbeiter, sondern auch für uns eine Stärkung, bevor wir nach Hochzirl abstiegen. Von dort aus ging es mit dem Zug zurück zum Ausgangsort nach Seefeld.
Alles in allem ist doe Tour über die beiden Spitzen sehr lohnend und auch der Freiungen Höhenweg ist eine absolute Empfehlung. Man hat, bei guter Witterung, fast durchgehend ein unfassbares Panorama und auch wenn der Beginn der Tour zur Seefelder Spitze noch sehr überlaufen ist, so wird es spätestens auf dem Höhenweg einsamer. Hier sollte man sich jedoch bewusst sein, dass dieser Abschnitt im Gegensatz zum Weg von der Seefelder Spitze zur Nördlinger Hütte ein alpines Unterfangen mit den entsprechenden Anforderungen ist.
Einige Informationen zur Tour:
- Im Maßstab 1:25 000 hilft die AV Karte Karwendelgebirge West 5/1 zur Orientierung, alternativ kann man auch bei opentopomap.org schauen.
- Der Alpenvereinsführer von Walter Klier im Rother Verlag ist sehr gut – aber leider vergriffen.
- Seefeld kann man sehr gut sowohl mit der Bahn, als auch mit dem Fernbus erreichen. Letzterer hält quasi direkt am Einstieg zur Tour, der Bahnhof ist rund ein Kilometer entfernt.
- Der Freiungen Höhenweg ist ein Wanderweg der scharzen Kategorie und setzt zwingend Schwindelfreiheit und Trittsicherheit voraus. Einige Teile sind drahtseilversichert, wobei man nicht von einem Klettersteig sprechen kann. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, sollte einen Blick auf die BergwanderCard werfen. Rund vier Stunden dauert es in normalem Tempo von der Nördlinger Hütte zum Solsteinhaus.
In diesem Sinne
Martin